Design & Architektur

Die Geschichte der Einbauküche: Vom Platzwunder zum Design-Trend

Töpfe, Geschirr und Besteck verstaut auf kleinstem Raum, optimierte Arbeitsabläufe und kurze Wege – all das zeichnet eine Einbauküche aus. Das erste Modell einer solchen Küche entstand vor etwa 90 Jahren. Sie veränderten diesen bis dato wichtigen Gemeinschaftsraum und seine Nutzung. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Verwandlungen die Küche im 20. Jahrhundert erlebt hat. Sie lernen außerdem die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky kennen, die den Urtyp der modernen Einbauküche entworfen hat.

Neuer Wohnraum in den Städten

Lange Zeit war die Küche ein Ort der Gemeinschaft – bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts trafen sich dort die Frauen oder die Hausangestellten. Doch durch die Industrialisierung strömten immer mehr Menschen in die Städte. Die Lebensumstände änderten sich und damit auch die Ansprüche an die Küche. Für die Arbeiter etwa musste neuer Wohnraum auf kleiner Fläche geschaffen werden. Eine bedeutende Rolle für die Neugestaltung der Küche nahm in diesem Rahmen Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) ein.

Eine sozial engagierte Frau

Die Österreicherin hatte zwischen 1915 und 1919 trotz großer Proteste als erste und einzige Frau an der Kunstgewerbeschule in Wien Architektur studiert. Bereits in dieser Zeit war sie sozial sehr engagiert. Ernst May, der in Frankfurt am Main das Hochbauamt leitete, wurde auf sie aufmerksam und holte sie 1926 in seine Abteilung. Dort leitete Schütte-Lihotzky fortan die „Unterabteilung Hausrat“.

Die Architektin beschäftigte sich schon länger mit häuslicher Arbeit, unter anderem mit den Schriften von Irene Witte zur rationalen Haushaltsführung. Während ihrer Tätigkeit im Hochbauamt entwickelte sie die „Frankfurter Küche“, den Vorläufer der modernen Einbauküche.

Die Frankfurter Küche

Auf gerade einmal 6,5 Quadratmetern schaffte es Schütte-Lihotzky, alle notwendigen Gerätschaften zu verstauen. Es gab ausziehbare Arbeitsflächen und einen ausklappbaren Tisch. Die Schränke waren mit Schiebetüren versehen und boten Platz für Töpfe, Geschirr, Besteck. In einem System aus 18 Schütten (im nachfolgenden Bild) konnte die Hausfrau alle wichtigen Lebensmittel wie Mehl, Zucker, Bohnen, Reis und Nudeln verstauen. Eine verschiebbare Deckenlampe sorgte für ausreichende Beleuchtung. Dank eines Drehstuhls ließen sich alle Arbeiten auch bequem im Sitzen verrichten.

Quelle: „Frankfurter Küche“ in der Schausammlung des Werkbundarchiv – Museum der Dinge, aus der Siedlung Römerstadt, Frankfurt, 1927/28 (zugeschnitten). Foto: Armin Herrmann.

Der Speisewagen als Vorbild

Als Vorlage dienten einerseits die sogenannten Pantry-Küchen aus Speisewagen und Zeppelinen. Dort bereiteten die Köche auf kleinstem Raum aufwendige Menüs zu. Andererseits nutzte die österreichische Architektin das amerikanische Taylor-Prinzip. Dabei werden einzelne Arbeitsschritte und -wege mit der Stoppuhr gemessen. So konnte Schütte-Lihotzky die effizienteste Gestaltung der einzelnen Bereiche „Aufbewahrung“, „Zubereitung“ und „Reinigung“ erreichen. Die Frankfurter Küche wurde im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus in über 10.000 Wohnungen eingebaut. Aufgrund der starren Konzeption konnte sie sich in der Folge jedoch nicht durchsetzen – die Prinzipien wurden allerdings für die maßgeschneiderte Einbauküche übernommen.

Die Einbauküche im Wandel der Zeit

Die Geschichte der Küche hängt eng mit dem gesellschaftlichen Wandel zusammen. In den 1920er Jahren musste auch die Frau berufstätig sein, um die Familie zu versorgen. Die Hausarbeit sollte deshalb so wenig Zeit wie möglich in Anspruch nehmen, was eine wichtige Rolle bei der Konzeption der „Frankfurter Küche“ spielte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Frau zur Hausfrau und ihr Arbeitsplatz, die Küche, immer kleiner. Die Mahlzeiten nahm die Familie in einem anderen Raum ein. Die Einbauküche galt aber als Selbstverständlichkeit – jede Frau wollte eine haben.

Der Trend zur luxuriösen Wohnküche

Zunächst waren nur wenige Modelle von Einbauküchen verfügbar. Das änderte sich allerdings in den 1960er Jahren. Neue Ausführungen, Farben und Dekore brachten mehr Vielfalt in die nüchterne Einrichtung. Seit den 1970er Jahren entwickelte sich der Trend wieder in Richtung gemütlicher Essküche. Heute bedeutet Kochen vor allem Genuss und Gemeinschaft. Die moderne Einbauküche ist wieder zum Lebensmittelpunkt geworden. Hochwertige Materialien wie Naturstein und moderne Technik begeistern Männer und Frauen gleichermaßen.

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